Freitag, 26. September 2014

Der Fall Edathy (XIII)

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25. 9. 2014, Dringliche Anfrage der CDU-Fraktion "Immunität eines Bundestagsabgeordneten wurde verletzt - Erkennt die Justizministerin einen Fehler an?" (TOP 11b)
Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover erließ das Amtsgericht Hannover am 10. Februar 2014 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohn- und Büroräume Sebastian Edathys. Diese wurden noch am gleichen Tage durchsucht. Wie sich das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 15. August 2014 äußerte, war Sebastian Edathy zu diesem Zeitpunkt noch Bundestagsabgeordneter der SPD und genoss den Schutz der Immunität nach Artikel 46 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Die Frage, ob die Wohn- und Büroräume unter Verletzung der Immunität durchsucht wurden, war bereits mehrfach Gegenstand der Beratung im Landtag. So wurde die Landesregierung in einer Dringlichen Anfrage zum Mai-Plenum des Landtages gefragt: „Wie lange genoss Sebastian Edathy als Bundestagsabgeordneter Immunität?"

Die Justizministerin bezog sich in ihrer Antwort am 15. Mai 2014 zunächst auf eine Bekanntmachung des Bundeswahlleiters im Bundesanzeiger vom 26. Februar 2014: „Abschließend kann die Frage, ob Immunität bestand - ja oder nein? -, über die Eintragung im Bundesanzeiger hinaus nicht beantwortet werden. Eine abweichende Mitteilung zu dem Thema liegt, wie gesagt, nicht vor."

Das Bundesverfassungsgericht bewertet in seinem Beschluss vom 15. August 2014 die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung am 10. Februar 2014, folgendermaßen:
„Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts vom 10. Februar 2014 unter Verletzung der an diesem Tag noch bestehenden Immunität des Beschwerdeführers erlassen worden ist und dass auch der Beschluss des Landgerichts vom 1. April 2014 Artikel 46 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG insoweit verletzt, als er den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts nicht korrigiert hat. Die Fachgerichte waren verpflichtet, den Erlass einer Durchsuchungsanordnung gegen einen Beschuldigten, der jedenfalls unmittelbar vor dem Erlass der maßgeblichen Beschlüsse noch Abgeordneter des Deutschen Bundestages gewesen war, auch im Hinblick auf das Verfolgungshindernis der Immunität zu überprüfen. Angesichts des unmissverständlichen Wortlauts der maßgeblichen Vorschriften - insbesondere des § 47 Abs. 3 Satz 1 BWahlG - war offenkundig, dass weder Verlautbarungen des Beschuldigten auf seiner Homepage und seines Verteidigers in einem Schriftsatz noch eine vom Gesetz nicht vorgesehene Feststellung des Bundestagspräsidenten konstitutive Bedeutung für den Zeitpunkt der Mandatsbeendigung haben konnten. Dies hätten die zuständigen Gerichte prüfen und erkennen müssen."

Die Justizministerin begrüßte in einer Pressemitteilung vom 29. August 2014 die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und teilte zur Frage der Zulässigkeit der Durchsuchung Folgendes mit: „Die seit Monaten im Raum stehenden Vorwürfe bezüglich der angeblichen Unrechtmäßigkeit der Durchsuchungen im Februar können damit ad acta gelegt werden."

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
  1. Stimmt die Landesregierung dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes nicht zu, wonach die Immunität Sebastian Edathys durch den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Hannover und den Beschluss des Landgerichtes Hannover verletzt wurde, oder warum spricht die Justizministerin in ihrer Pressemitteilung von einer „angeblichen" Unrechtmäßigkeit der Durchsuchungen?

  2. Ist es Aufgabe der jeweiligen Justizministerin oder des jeweiligen Justizministers, die Immunität der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Niedersächsischen Landtages zu schützen und die ihr unterstellten Staatsanwaltschaften entsprechend zu beaufsichtigen?

  3. Hätten die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Hannover am 10. Februar 2014 erkennen können und müssen, dass die ihnen zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände nicht ausreichten, um von einer Mandatsbeendigung ausgehen zu können?
Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Dringliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

am 28. Januar bejahte die Staatsanwaltschaft Hannover in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle einen Anfangsverdacht gegen den damaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Die Staatsanwaltschaft entschied, ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Edathy einzuleiten.

Mit Schreiben vom 6. Februar wandte sich die Staatsanwaltschaft Hannover sodann an den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Sie zeigte in dem Schreiben die beabsichtigte Verfahrenseinleitung an.
Ebenfalls am 6. Februar erklärte Sebastian Edathy gegenüber einem Notar den Verzicht auf sein Bundestagsmandat. Die hierüber ausgefertigte Urkunde legte er am 7. Februar dem Präsidenten des Deutschen Bundestages vor. Er machte den erklärten Mandatsverzicht am 8. Februar auf seiner Internet-Homepage öffentlich.

Durch Schreiben vom 10. Februar bestätigte der Präsident des Deutschen Bundestags gegenüber Sebastian Edathy dessen Verzicht auf seine Mitgliedschaft im Bundestag und teilte ihm mit, dass er mit Ablauf des 6. Februar aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden sei.

Am 10. Februar teilte Edathys Verteidiger der Staatsanwaltschaft Hannover mit, dass sein Mandant am Freitag zuvor sein Bundestagsmandat niedergelegt habe.
In Kenntnis des Mandatsverzichts beantragte die Staatsanwaltschaft Hannover am selben Tag beim Amtsgericht Hannover einen Durchsuchungsbeschluss. Der erging antragsgemäß. Er wurde am selben Tag vollstreckt.
Das Landgericht Hannover verwarf am 1. April die Beschwerden des damaligen Beschuldigten Edathy gegen die vom Amtsgericht Hannover erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse - es waren insgesamt fünf.
Auf die Gegenvorstellung von Sebastian Edathy entschied das Landgericht Hannover am 28. Mai, dass mit Ablauf des 6. Februar keine Immunität des Beschuldigten nach Art. 46 Absatz 2 Grundgesetz mehr bestanden habe, die der Anordnung der Beschlüsse entgegenstünde.
Edathy legte Verfassungsbeschwerde ein. Diese wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich in dem Beschluss vom 15. August zu verschiedenen Rügen Edathys.
Zur Rüge der Verletzung der Immunität erklärte das Bundesverfassungsgericht, Edathy sei am 10. Februar noch Mitglied des Deutschen Bundestags gewesen.
Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10. Februar und der bestätigende Beschluss des Landgerichts Hannover sei unter Verletzung von Art. 46 Absatz 2 Grundgesetz zustande gekommen. Entscheidungserheblich war das letztlich aber nicht, weil Edathy die Rüge der Immunitätsverletzung in seinen Beschwerden nicht vorgebracht hatte. Das hätte er aber tun müssen.

Die weiteren Rügen, es habe kein Anfangsverdacht vorgelegen und die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig gewesen, waren unbegründet. Die Ausführungen des Landgerichts zur Annahme eines Anfangsverdachts werden aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet. Auch hält das Bundesverfassungsgericht die Einschätzung des Landgerichts, dass die angeordneten Durchsuchungen verhältnismäßig waren, für plausibel und nachvollziehbar.

Auch der Rüge, Edathy werde durch die Beschlagnahme seiner E-Mails und der Verkehrsdaten seiner Internetkommunikation in seinem Grundrecht aus Art. 10 Absatz 1 Grundgesetz verletzt, folgte das Bundesverfassungsgericht nicht.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. August hat Klarheit geschaffen zu bis dahin kontrovers diskutierten Rechtsfragen.
Hierzu gehört auch die Frage zur Dauer der Immunität des ehemaligen Abgeordneten Edathy. Die Landesregierung ist als vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird deshalb von der Landesregierung uneingeschränkt respektiert und befolgt.

Zu Frage 2:
Ja.

Zu Frage 3:
Mit dem Beschluss vom 15. August hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte fehlerhaft war. Damit reichten die zum damaligen Zeitpunkt bekannten Umstände aus Rechtsgründen nicht aus, um von einer Mandatsbeendigung bereits am 10. Februar auszugehen.
Mein Haus trägt dafür Sorge, dass in der niedersächsischen Justiz auf Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Klarheit bei der Handhabe in Fällen des Mandatsverzichts von Abgeordneten besteht.

Der Fall Edathy (XIV): Kleine Anfrage im niedersächsischen Landtag

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